Wanderschäferei
Schafe als Taxi! – Verbund der Trockenlebensräume
Die Samen von Pflanzen, vor allem solche mit Stacheln oder Widerhaken wie z.B. Kletten, und kleine Tiere wie Heuschrecken, Käfer und Spinnen oder manchmal auch junge Eidechsen werden in der Wolle der Schafe mittransportiert. Das wandernde Schaf ist somit ein lebendiges „Taxi“ für den Austausch von Tier- und Pflanzenpopulationen und nimmt eine wichtige Funktion für den Biotopverbund wahr.
In historischer Zeit wurde in Europa Weidewirtschaft mit einem jährlichen Wechsel zwischen Sommer- und Winterweiden vorgenommen. Es wurden jeweils die Gebiete aufgesucht, die bezüglich der Temperatur und dem Aufwuchs des Futters gute Bedingungen boten.
Diese Wechselweidewirtschaft wird auch „Transhumanz“ genannt. Das südliche Oberrheingebiet war auf deutscher und französischer Seite in ein großflächiges System der Wanderschäferei eingebunden und stellte vor allem gute Winterweideplätze zur Verfügung. Schafherden wurden bevorzugt auf Flächen genutzt, auf denen Ackerbau wegen der Steillage, Wassermangel oder anstehendem Gestein nicht möglich war. Die verbliebenen Reste dieser traditionellen Schafbeweidung sind auf den Grünlandflächen in der Trockenaue des Rheins und am Tüllinger Berg zu finden.
Auf den Routen durch das Kinzigtal und über Lörrach und den Hochrhein Richtung Schwäbische Alb ziehen auch heute noch mehrere Wanderschäfer mit ihren Herden.
Im Rahmen des Modellprojekts MOBIL konnte die Wanderstrecke der Schafherde von 15 km auf 40 km ausgeweitet werden. Die Reise der etwa 600 Mutterschafe mit ihrem Nachwuchs beginnt meist am 2. Mai, dies ist ca. eine Woche nach der Schafschur im Stall in Schliengen. Die Schafherde zieht nun von Biotopfläche zu Biotopfläche von Grißheim im Norden, dann entlang des Rheins und durch die Trockenaue auf Neuenburger, Bad Bellinger und Schliengener Gemarkung nach Süden bis Haltingen und von dort zu den Sommerweideflächen am Tüllinger Berg. Dazwischen liegt das Landesgartenschaugelände, welches nach dem Gartenschaujahr ebenfalls durch den Wanderschäfer beweidet werden wird.
Das Modellprojekt Biotopverbund MarkgräflerLand (MOBIL)
Das Markgräflerland war von 2016 bis 2020 Projektgebiet von MOBIL (MOdellregion BIotopverbund MarkgräflerLand), ein Modellprojekt zur beispielhaften Umsetzung des landesweiten Biotopverbunds und des Generalwildwegeplans auf regionaler Ebene. Das Markgräflerland ist Drehkreuz für den Biotopverbund!
Das Projektgebiet erstreckte sich von Weil am Rhein und Lörrach bis nach Breisach, mittendrin liegt die Stadt Neuenburg am Rhein.
Biotope sind Lebensräume wildlebender Tiere und Pflanzen. Da diese durch vielfältige Formen der Zerschneidung (Siedlungen, Straßen, Eisenbahnanlagen, usw.) wie Inseln in der Landschaft liegen, soll der Biotopverbund die Verbindung zwischen den „Inseln“ herstellen und so die dauerhafte Sicherung der Populationen dieser Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten gewährleisten. In der Modellregion wurden Wege aufgezeigt, um diesen Biotopverbund zu stärken und die zerschneidenden Wirkungen zu minimieren.
Das MOBIL-Projekt hat vorhandene landesweite und regionale Planungen harmonisiert sowie Maßnahmen konkretisiert und umgesetzt. Durch die zahlreichen Maßnahmen wurde nicht nur ein naturschutzfachlicher Mehrwert, sondern auch ein Mehrwert für die Akteure und die Region geschaffen. Teilprojekte waren zum Beispiel:
- Trittsteine im Wildtierkorridor schaffen: Um die Ausbreitung der Wildkatze von den rheinbegleitenden Wäldern in Richtung Schwarzwald langfristig zu fördern, wurden „Trittsteine“ mit Deckungsstrukturen für die Wildkatze, die Haselmaus und als Leitstruktur für Fledermäuse geschaffen. Um die Landwirte auch durch die Schaffung eines Mehrwertes einzubinden, wurden u.a. nutzbare Trüffelbiotope als Feldhecken oder –gehölze mit Saumstrukturen angelegt.
- Wildunfallschwerpunkte entschärfen: Hauptwildwechsel und Wildunfallschwerpunkte wurden identifiziert, um Maßnahmen wie z.B. eine Geschwindigkeitsreduzierung und eine entsprechende Pflege des Fahrbahnrands umzusetzen.
- Streuobst als Lebensraum: Die schönen, aber überalterten Streuobstbestände sind Biotope höchster Artenvielfalt und bieten neben Vögeln und Fledermäusen auch zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen wertvollen Lebensraum. Ein naturschutzorientierter Pflegeschnitt kann die Statik des Baumes wiederherstellen und das Leben um ca. zehn Jahre verlängern. MOBIL hat LOGL-Fachwarte für Obst und Garten mit einem fachlichen Schwerpunkt Streuobst ausgebildet (Fachwartvereinigung Markgräflerland e.V.).
- Habitataufwertung für Ackervögel: Kiebitze brüten in der offenen Landschaft am Boden und ihre Jungen suchen direkt nach dem Schlüpfen eigenständig Nahrung. Dafür brauchen sie ruhige Bereiche und feuchten, gut durchstocherbaren Boden. Beides ist an der neuen Flutmulde gegeben, welche durch das Eintiefen einer bereits nassen Wiese entstanden ist. Die Kiebitznester werden durch Nestschutzkörbe vor Prädatoren wie dem Fuchs geschützt. Gleichzeitig können die Landwirte so während der Bewirtschaftung des Ackers das Nest lokalisieren und umfahren.
- Biotopverbund im Wald: Wichtige Waldflächen und auch isolierte Wälder sollen miteinander verbunden werden. Auf diesen Korridoren sollen u.a. höhere Anteile an Lichtbaumarten und lichte Waldbiotope gefördert, die Baumartenzusammensetzung erhöht und durch die Anreicherung des Alt- und Totholzanteils neue Lebensräume für zahlreiche, oftmals gefährdete Arten geschaffen werden.
Das Projekt MOBIL des Regierungspräsidiums Freiburg (Referat 56: Naturschutz und Landschaftspflege) wurde von zahlreichen Projektpartnern getragen: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, ForstBW, NABU Baden-Württemberg, Trinationale Umweltzentrum, Stadt Weil am Rhein, Stadt Lörrach und Stadt Neuenburg am Rhein.
Viele weitere lokale Akteure, Kommunen und Behörden aus dem Markgräflerland haben zur erfolgreichen Umsetzung dieses Projekts beigetragen und dies auf zukunftsfähige Beine gestellt. Jeder hat einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des MOBIL-Projekts geleistet!
Weitere Informationen zum MOBIL-Projekt sind zu finden auf der Homepage des Regierungspräsidiums Freiburg: https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpf/modellregion-biotopverbund-markgraeflerland